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Beitrag vom 21.02.2011
Heike Gerstenberger im E-Interview mit AVIVA-Berlin
Ilka Fleischer
Internationaler Frauentag aus lokaler Perspektive: Was die Gleichstellungsbeauftragte aus Berlin-Pankow rund um den 8. März plant, welche weiteren Handlungsbedarfe sie auf Bezirksebene sieht.
AVIVA-Berlin: Im vergangenen Jahr haben Sie im "Frauenmärz" – gemeinsam mit den anderen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Bezirke – u. a. eine Kampagne zum Equal Pay Day gestartet. Was planen Sie bezirksintern in diesem Jahr rund um den Internationalen Frauentag?
Heike Gerstenberger: Die Lohndiskriminierung bleibt auch in diesem Jahr ein aktuelles Thema! Deshalb rufen die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in Kooperation mit den Frauen des Business and Professionell Women Germany - Club Berlin und dem FrauenComputerzentrumBerlin e.V. Unternehmen, Geschäfte, Restaurants und Cafés wieder dazu auf, Frauen am 25. März einen Rabatt von 23 Prozent auf ausgewählte Waren und Dienstleistungen einzuräumen. Der Höhepunkt der Öffentlichkeitskampagne wird am 25. März, 12.00 Uhr auf dem Alexanderplatz sein. Mit Statements, Interviews und natürlich auch mit Musik wollen wir auf das Problem aufmerksam machen und Frauen motivieren, sich an der Rabatt-Aktion zu beteiligen.
Im letzten Jahr haben wir mit großer Medienpräsenz das Buch "Spreeperlen. Berlin -Stadt der Frauen" veröffentlicht. Die Spreeperlen sind ein Kooperationsprojekt der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen und der bezirklichen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten Berlins. Inzwischen ist das Buch berlinweit bekannt und erfreut sich großer Beliebtheit und Nachfrage. Als ein Folgeprojekt bereiten wir jetzt die Ausstellung zum Buch vor. Sie wird am 28. März 2011, 16.30 Uhr im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums des Internationalen Frauentages durch den Senator für Wirtschaft, Technologie und Frauen, Harald Wolf in der URANIA eröffnet.
In Pankow wird es auf Initiative der EWA-Frauen am 2. März, 19.00 Uhr in Kooperation mit dem Arbeitskreis der Pankower Frauenprojekte eine Ausstellungseröffnung mit dem Titel "100 Jahre Frauentag in Berlin – Eine Plakatretrospektive" im EWA Frauenzentrum geben.
AVIVA-Berlin: Laut Gender Datenreport ist die Einkommenssituation für Männer in Berlin deutlich besser als für Frauen, während sich das Bildungsniveau insgesamt nur geringfügig unterscheidet. Welche gleichstellungsrelevanten Daten liegen für Ihren Bezirk vor – insb. in den Bereichen Bildung, Arbeit und Einkommen?
Heike Gerstenberger: Für die Bereiche Bildung und Einkommen liegen derzeit keine geschlechtsrelevanten Daten für Pankow vor. Eine derartige Datenaufbereitung ist mit finanziellen Aufwendungen verbunden. Für das Thema Arbeit kann ich nur auf die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zurückgreifen: Beim Arbeitslosengeld I (SGB III) sind die Angaben von Frauen (2.318) und Männern (2.487) fast gleich. Für die Bezieher/innen von Arbeitslosengeld II gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen den Männern (9.588) und Frauen (6.665). Diese Zahl ist aber auch nur mittelbar interessant, weil sie noch keine Auskunft darüber gibt, wie viel Frauen sich in einer Maßnahme oder in einer Qualifizierung befinden.
AVIVA-Berlin: In den letzten Wochen waren die Schlagworte "Frauenquote" und "FlexiQuote" auf bundespolitischer Ebene täglich in den Schlagzeilen. Welche Rolle spielt dieses Thema in Ihrem Bezirk? Welche "Zahlen & Fakten" bieten Aufschluss über die bezirksinterne Verteilung der Führungs- und Entscheidungspositionen?
Heike Gerstenberger: Innerhalb der Verwaltung des Bezirksamtes Pankow arbeiten derzeit 2.246 Beschäftigte. Der Frauenanteil beträgt insgesamt 73,33 %. Sowohl bei den Beamtinnen als auch bei den Angestellten sinkt jedoch mit steigender Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppe der Frauenanteil. Also selbst im Öffentlichen Dienst sind Frauen in Führungs- und Entscheidungspositionen noch immer unterrepräsentiert. Unter den Bedingungen eines weiteren Stellenabbaus und eines sehr engen Einstellungskorridors wird es mittelfristig schwer sein, den Frauenanteil auf die - durch das Landesgleichstellungsgesetz (LGG) geforderten - 50 Prozent in den Bereichen mit Unterrepräsentanzen zu erhöhen.
AVIVA-Berlin: Mit dem Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm (GPR) stellte der Senat 2007 einen "Entwurf für eine inhaltliche und strategische Weiterentwicklung der Berliner Gleichstellungspolitik" vor. Mit dem sog. "Masterplan" wurden die formulierten Zielsetzungen der Jahre 2008- 2011 mit konkreten Maßnahmen bzw. Aktivitäten untersetzt*. Welche gleichstellungspolitischen Initiativen und Erfolge sind in diesem Zusammenhang in Ihrem Bezirk zu verzeichnen? Wo lagen Ihre Handlungsschwerpunkte?
Heike Gerstenberger: Ich kann hier nur auf drei ausgewählte Handlungsschwerpunkte eingehen:
Gewalt gegen Frauen und Kinder im häuslichen Bereich
Im Mittelpunkt steht dabei die Fortschreibung unseres Pankower Aktionsplanes mit einer Vielfalt an Maßnahmen. Beispiele sind die Veranstaltungen im Rahmen des Aktionstages "Nein zur Gewalt an Frauen" zum 25. November oder die Umsetzung der workplace policy im Bezirksamt Pankow.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Seit 2004 lobt das Bezirksamt Pankow von Berlin jährlich den Wettbewerb "Familienfreundlicher Betrieb Pankow" aus. Anliegen des Wettbewerbs ist es Pankower Unternehmen und die Öffentlichkeit für eine familienfreundliche Arbeitswelt zu sensibilisieren und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie der Spagat zwischen flexibler Arbeitszeit und Familienarbeit zu meistern ist.
Eine flexible Kinderbetreuung zu haben, ist für viele Eltern Voraussetzung, um den Job ausüben zu können. Seit 2009 gibt es einen Flyer, der die Angebote flexibler Kinderbetreuung in Pankow zusammenfasst.
Pankower Frauengeschichte
Beispielhaft zu nennen ist hier die Veröffentlichung zweier Bücher mit Porträts Pankower Frauen, die Gedenktafel für Paula Dehmel, eine Wanderausstellung mit Pankower Frauen aus Politik und Wissenschaft.
AVIVA-Berlin: Wenn sich Ihr Haushaltsbudget im nächsten Jahr verzehnfachen ließe, worin würden Sie – unabhängig von GPR und Masterplan – investieren? Worin bestehen die größten frauen- und gleichstellungspolitischen Herausforderungen für die Zukunft in Ihrem Bezirk?
Heike Gerstenberger: Mir steht derzeit ein Haushaltsbudget von ca. 1.000 EUR zur Verfügung. Ich würde den Titel der Zuwendungen für Frauen- und Migrantenprojekte mit den 10.000 EUR verstärken, um so die finanzielle Situation der Projekte wenigstens etwas verbessern zu können.
Der Bezirk Pankow ist im Gegensatz zu vielen anderen ein Bezirk mit wachsenden Bevölkerungszahlen. Vor allem für junge Familien ist der Bezirk sehr attraktiv. Das ist eine demografische Herausforderung, die eine Vielzahl gleichstellungsrelevanter Fragestellungen (familienfreundliche Infrastruktur, nahräumliche Grundversorgung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Förderung sozialer Nachbarschaft…) aufwirft.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview!
Weitere Infos zu Heike Gerstenberger, Gleichstellungsbeauftragte aus Berlin-Pankow finden Sie unter:
www.berlin.de/ba-pankow/verwaltung/gleichstellung